Entscheidungen finden während eines Handballspiels dauerhaft statt und auch jeder der Spieler muss diese treffen. So muss sich der Spieler entscheiden, ob er den Ball weiterspielt und wenn ja zu welchem Mitspieler oder ob er selbst aufs Tor wirft. Dieses Entscheidungsverhalten, so einfach es für Trainer und Zuschauer als richtig oder falsch ausgelegt wird, ist für Spieler ein komplexer Vorgang. Doch was genau ist Entscheidungsverhalten nun und wie kann man es trainieren, bzw. kann es überhaupt spezifisch trainiert werden?

Was ist Entscheidungsverhalten?

Das Entscheidungsverhalten beschreibt die Fähigkeit eines Spielers, um es heruntergebrochen zu formulieren, in der sich ihm darstellenden Situation in möglichst kurzer Zeit abzuwägen, welche Handlung zu einem optimalen Abschluss sorgt. Oftmals wird bei Entscheidungsverhalten auch hauptsächlich an Weltklassespieler wie Andy Schmid oder Kim Naidzinavicius gedacht, welche mit ihren Pässen und allgemein kaum vorhersehbaren Verhalten jeden Gegner vor Probleme stellen. Jedoch treffen immer alle Spieler auf dem Feld in ihrer Handlung dauerhaft Entscheidungen und nicht nur diese Spitzenspieler ihrer Mannschaft. Denn unter dem Punkt des Entscheidungsverhaltens fällt auch die Entscheidung, ob der Spieler ins 1 gegen 1 geht oder selbst abschließt. Es kann somit eigentlich gesagt werden, dass das Handballspiel eine dauerhafte Abfolge von Entscheidungen ist, welche jeder Spieler treffen muss.

Wie ist Entscheidungsverhalten trainierbar?

Entscheidungsverhalten ist, im Gegensatz zu Techniken wie Körpertäuschungen, … nur sehr schwer „losgelöst“ zu trainieren. Denn Entscheidungsverhalten steht immer im Zusammenhang mit dem Wahrnehmen von spielnahen Situationen. So gilt es, um das Entscheidungsverhalten zu trainieren, möglichst spielnahe Situationen darzustellen und auf diese aufzubauen. Hierbei gilt der Grundsatz, dass Entscheidungen zu Beginn ohne Druck trainiert werden und dieser nach und nach erhöht wird. Druck kann hierbei auf unterschiedliche Arten erzeugt werden, z.B. über Zeitdruck oder Abwehrverhalten. Mit einer der einfachsten Arten des Trainings von Entscheidungen wird im Folgenden dargestellt.

esv_kreislaeufer_anspiel
Entscheidungsverhalten mit Kreisläufer

Organisation:

  • 1 Angreifer als Kreisläufer, 1 Abwehrspieler.
  • Die restlichen Spieler sind auf Rückraummitte mit Ball.

Ablauf:

  • Die Spieler laufen prellend an und treffen je nach Abwehrverhalten eine der folgenden Entscheidungen:
    • Abwehrspieler bleibt passiv → Wurf von 9-Meter
    • Abwehrspieler tritt offensiv heraus → Anspiel des Kreisläufers

Die hier dargestellte Übung ist dabei eine leichte Übung, da die möglichen Entscheidungen stark eingeschränkt sind. Ebenfalls herrscht nur ein geringer Entscheidungsdruck, da die Entscheidung nur die Wahrnehmung eines Gegenspielers betrifft. Aus diesem Grund eignet sie sich perfekt für den unteren Jugendbereich um die Spieler in das „bewusste“ Entscheidungsverhalten einzuführen. Sollte das Entscheidungsverhalten im mittleren oder gehobenen Leistungsbereich trainiert werden, bieten sich Übungen mit erhöhtem Druck an, wie nachfolgende Übung.

esv_unter_handlungsdruck
Entscheidungsverhalten unter Handlungsdruck

Organisation:

  • 2 Abwehrspieler, die restlichen Spieler verteilen sich auf Rückraummitte, Rückraumrechts sowie Rückraumlinks (leicht nach innen verschoben).
  • Bälle sind auf Rückraummitte.
  • Die Rückraumspieler starten Höhe 9-Meter (nahe an der Abwehr).

Ablauf:

  • Der Rückraummittespieler tippt einmal, was das Startsignal für die Aktion ist.
  • Die Abwehrspieler verteidigen daraufhin aggressiv-offensiv gegen die drei Angreifer (Abwehr muss dabei nicht zwingend primär gegen Ballhalter agieren, dieser kann also auch selbst zum Abschluss kommen).
  • Der Angriff hat maximal einen Pass, bevor ein Abschluss erfolgen muss.

In dieser zweiten Übung ist das Entscheidungsverhalten nun deutlich stärker gefordert als bei der ersten Übung. Dies liegt einerseits an der gestiegenen Anzahl der möglichen Lösungswege, jedoch auch am Druck, welcher auf den ballhaltenden Spieler ausgeführt wird. Durch diese relativ spielnahe Situation lernt der Spieler auch unter Druck Entscheidungen zu treffen. Wichtig ist hierbei von Trainerseite aus, auch Fehler der Spieler zuzulassen. Nicht nach jeder falschen Entscheidung muss direkt eingegriffen werden. Entscheidungsverhalten bedeutet immer einen Prozess, bei welchem sich der Spieler weiterentwickelt. Fehler gehören dabei zum Prozess des Lernens dazu. Zu häufiges eingreifen von Trainerseite aus verhindert diesen Prozess, da mögliche Lösungswege durch Trainervorgaben ausgeschlossen werden. Auch verliert der Spieler durch zu häufiges eingreifen auch sein eigenständiges Entscheidungsverhalten. Deswegen sollte beim Training des Entscheidungsverhaltens immer ein Dialog zwischen Trainer und Spieler stattfinden, da es viele Lösungswege gibt.

Entscheidungsverhalten als Heilsbringer?

Gutes und kreatives Entscheidungsverhalten ist das, was Handball attraktiv macht. Weswegen auch Spieler wie Schmid oder Naidzinavicius aus vielen hervorragenden Spielern nochmals herausstechen. Doch muss auch gesagt werden, dass das Trainieren des Entscheidungsverhaltens ohne eine gute Grundlagentechnik nicht möglich ist. Es wird oft gefordert, dass die Spieler bessere Entscheidungen treffen sollen, jedoch ist ihre Wahrnehmung mit Passen, Fangen, Werfen oder Prellen voll ausgelastet. Hierbei nun gute Entscheidungen zu treffen ist nicht möglich. Deswegen muss vor allem eine Automatisierung dieser Bewegungen erfolgen, damit Spieler danach richtige Entscheidung treffen. Aus diesem Grund steht das Erlernen der Technik an erster Stelle, das Entscheidungsverhalten kommt danach.

Entscheidungsverhalten